Myardus

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Textdaten
Titel: Myardus Fragmente
Texttyp: InGame
Sprache: Deutsch


Der Myardus

"Die Worte stammen aus einem uralten heligonischen Epos namens "Myardus", das in Kreisen des Arcanums und vor allem des Nexus gerne zitiert wird. Es gibt wohl kaum einen Lehrling, der nicht schon irgendeine Passage auswendig lernen oder interpretieren mußte. Das Original ist in einer Sprache gehalten, die die eher konservativen Mitglieder unserer Kunst in ihren Zaubern verwenden, weswegen auch die Übersetzung dieses Epos eine beliebte Übung für Anfänger der Kunst darstellt. Das Alter und die Herkunft von Myardus sind unbekannt und waren immer wieder Streitgespräche anerkannter Gelehrter wert. Joryn nun gilt als der Begründer des Nexus Corenae und Echem als sein erster und größter Lehrling. " (aus "Der Nexus Corenae")



Einige Fragmente des Myardus für den geneigten Leser

Myardus
"Was ist die Welt?" fragte Echem.
"Sie ist der Traum der Unendlichkeit, der Gedanke des Nicht-Seienden, sie ist die Vielheit der Null durch die Eins," antwortete Joryn.
"Ich verstehe deine Worte nicht, sie sind verwirrend und in Geheimnis gekleidet!"
"Ja, wahrlich, das sind sie, und das müssen sie sein, verborgen vor den Augen der Blinden"
"Aber Herr, wären sie es nicht, so würden die Blinden sie dennoch nicht erkennen können"
"Du hast Recht und Unrecht. Nicht erkennen könnten sie die Wahrheit, aber sehen dennoch, entsteht aus ihr doch das Augenlicht selbst. Und was sie sehen würden, triebe sie in Irrtum und Wahnsinn, denn Verstehen ist ihnen nicht gegeben."
"Bin ich, Echem, dein Schüler, denn blind?"
"Ja, auch du bist blind, doch will ich dir das Sehen lehren und dir das rechte Augenlicht schenken."
"Was also bedeuten deine Worte? Was ist die Welt?"
"Die Welt ist das, das die Unendlichkeit umgibt, in ihrer Mitte ruht das Nicht-Seiende, die Null, das Unbewegte oder der in vielen Legenden erwähnte Äon. Wie die vielen Namen besagen, so ist er die nicht existierende Existenz. Und Äon dachte die Einheit, das Alles, und dieses dachte die Zweiheit Helios und Poena"
Echem darauf: "Wie aber kann der Äon die Welt bewirken, so er doch nichtig ist?"
Joryn: "Seine Natur ist die des Nicht-Existenten, des Bewegers, der selbst unbewegt ist, denn das Nichts kann keine Bewegung enthalten, wie seine Natur dies befiehlt. Die Natur der Welt aber ist eine Seiende und eine Bewegte, die dem Äon, dem Nichts unterliegt. Dies entsteht aus dem Gegensatz der beiden Dinge, von denen ich erzähle. Denn der Beweger muß größer sein als das Bewegte und gegensätzlich in der Natur."
Echem: "Ja, das muß er!"


Echem: "Nun hast du mir gekündet von der Unendlichkeit der Welt. Wer aber bin ich? Bin ich doch nur gering und unbedeutend? Bin ich nur das Bewegte?"
Joryn: "Ja, du bist das Bewegte!"
Echem: "Wie aber soll ich etwas bewirken, wie bewegen?"
Joryn: "Ist das Werk, das du vollbringen willst, nicht das Bewegte und das Körperliche?"
Echem: "Ja, das ist es."

Joryn: "Muß das Bewegende selbst nicht gegensätzlich sein?"
Echem: "Ja, das muß es."
Joryn: "Muß es denn nicht körperlos-geistig und in seinen Grenzen unbewegt sein?"
Echem: "Ja, das muß es."
Joryn: "Was also ist in dir von solcher Art?"
Echem: "Es ist mein Geist, Herr."


Echem: "Was aber ist Verstehen?"
Joryn: "Es ist die Gleichsetzung eines Teils seiner Selbst mit der Sache. Noch vielmehr ist es die Gleichsetzung der Sache mit einem Teil seiner Selbst. Es ist Endpunkt im Sinne der Sechs, Identität mit dem Ungleichen."
Echem: "Gibt es ein unendliches Verstehen?"
Joryn: "Ja und Nein, Echem. Das unendliche Verstehen ist die Einheit mit Allem. Es ist Identität mit der Unendlichkeit, denn Eines ist Alles und Alles ist Eines. Doch siehe, der Unterschied ist gleich dem Ausmaß des Verstehens, und es ist ewig. Begreifst du dies, Echem?"
Echem: "Ja, Herr, ich verstehe."
Joryn: "Nein, du lügst. Aber du mußt lügen, denn die Wahrheit ist unendlich. Sie ist inmitten von allem und dadurch unerreichbar."
Echem: "Wie aber kann ich begreifen? Wie die Wahrheit ahnen?"
Joryn: "Du mußt das Begreifen verstehen und das Verstehen begreifen. Siehe, diese sind geteilt in drei Elemente: Ordnung, Betrachtung, Erklärung. Diese Elemente mußt du meistern und damit den Stoff der Wahrheit untersuchen."
Echem: "Was ist der Stoff der Wahrheit?"
Joryn: "Der Stoff der Wahrheit ist die Sechs, der Anfang des Endes und das Ende des Anfangs, der Anfang des Anfangs und das Ende des Endes. Denn Alles ist Eines und Eines ist Alles."
Joryn: "Du mußt aber wissen, daß du nicht vollkommen wissen kannst. Die Elemente sind unterhalb der Ewigkeit, ihnen entweicht das Unendliche. Dies sind die Grenzen."


Joryn: "Nichts ist, das losgelöst von allem anderen existiert. Alles ist Eines und Eines ist Alles. Daher ist einem jeden Ding zum Teil ein anderes. Auch die unsichtbaren sind derart."
Echem: "Wie aber kann ich das Unsichtbare sehen?"
Joryn: "Es sind die Taten, nach denen ein Mensch beurteilt wird. Und auch hier sind es die Taten. Siehe die Wellen, die miteinander tanzen, siehe, wie sie am Ufer zergehen. So solltest du es sehen."
Echem: "In der Tat urteilt der Weise über die Taten, doch muß er nicht auch den Täter erkennen? Ist nicht er von Bedeutung?"
Joryn: "Ja, das ist er. Denn ohne ihn sind die Taten nicht. Er ist der Same des Baumes, ohne ihn kein Baum, doch der Baum erschafft neue Früchte und damit neue Samen. So ist es hier, so ist es in der Unendlichkeit in beiderlei Richtung."


Gefürchtet ist nichts mehr als das Neue, nichts gefährlicher als das ungesehene Schwert, nichts furchtbarer als der unbekannte Schrecken, und nichts so wunderbar, als das mysteriöse Mirakel.


...doch wisse Echem, was du Gesetz und Wirklichkeit nennst, ist nichts anderes als eine Maske des Unendlichen. Sie ist fest in ihrer Natur, damit die Sterblichen sie erblicken und fassen können, doch versucht sie die Sinne des wahren Suchenden zu verwirren.

Echem: Wie aber ist das, was hinter der Maske liegt ? Wie kann ich es begreifen ?
Joryn: Hinter der Maske liegt die Verwirrung des Einzigen, das gleißende Licht der kristallenen Wahrheit. Doch wisse, wenn du sie zu begreifen suchst, dann erkenne, daß es sie unterhalb der Unendlichkeit nicht gibt. Nur die Masken kannst du begreifen, nur den Schatten des Lichtes am Horizont der falschen Welt. Verstehe die Lüge, ohne die nichts besteht. Echem: Doch sage mir, was ist die Lüge ?
Joryn: Du bist die Lüge, ein Teil der Maske. Darum blicke durch dich hindurch, damit du dem Wahnsinn des Einzigen verfällst. Der Kern ist Maske, die Schale der Wahrheit und der Wahnsinn, die Frucht die Umwendung des Baumes.


Joryn: Nun wollen wir über das Wesen des Lebens reden. Merke dir, Echem, alles hat seinen Grund. Sodann erkenne: Es gibt keine Tragödie, es gibt nur das Unabwendbare und es gibt nur einen Gegensatz: Vergänglich oder ewig
Echem: Was ist vergänglich ?
Joryn: Das Unabwendbare
Echem: Und was ist ewig ?
Joryn: Die Lehren, die man aus dem Unabwendbaren zieht

Joryn: Nachdem du dies weißt, wollen wir über die Angst reden.

Joryn: Der Feind des Geistes besteht bis zu dem Augenblick, in dem das Unabwendbare geschieht. Danach gilt es nur noch die Kräfte beisammenzuhalten
Echem: Ich verstehe - Der Sinn geht verloren
Joryn: Dann sage mir, Echem, was bleibt
Echem: Der Verlust und die Reue
Joryn: Was bleibt ist die Hoffung

Echem: Herr, ist nicht der Mut der Gegensatz der Angst ?
Joryn: Ja, das ist er
Echem: Aber was ist Mut ?
Joryn: Der Mut ist nichts anderes als der Feind, doch spricht sie vor dem Unabwendbaren

Echem: Herr, ich weiß nun was Mut ist, doch wie kann ich den Feind wandeln ?
Joryn: Die Antwort auf deine Frage liegt in unserem Gespräch verborgen
Echem: Ja Herr, ich verstehe.


Über die Schönheit und deren Maß

Echem: So sprich, Joryn, wie sind die Sphären der Welt gemacht?

Joryn: Nun blicke nicht über deine eigene Natur im Ersten. Betrachte dich und dein Inneres. Dort findest du die gleichen Antworten auf die größten Fragen, die sich dir stellen. Auch über deiner Natur finden sie sich, aber wisse, dort sind sie schwer zu begreifen.

Echem: Wo aber sind sie in meinem Inneren, ich kann sie nicht sehen.

Joryn: Blicke tief und blicke genau, sie sind kleiner und erscheinen dir unscheinbar, doch das Einfachste ist das Umfangreichste und Tiefste.

Echem: Wie also sind die Sphären?

Joryn: Nun siehe und begreife, daß in allem dieselbe Schönheit liegt, die von der Eins durch das Alles im Nichts gegeben ist. Jene Schönheit umfängt und durchdring die Dinge nicht aus schnödem Stolz und Hochmut. Vielmehr ist sie das Maß aller Dinge, das Bild des Gesetzes, das den Punkt zum Kreise macht.

Echem: Ist die Größe der Schönheit stets dieselbe in allen Dingen?

Joryn: Nein, dies ist nicht so. Wisse, daß ein jedes Ding über ein Maß verfügt, das vom Anfang gegeben ist und über ein weiteres, das daraus entsteht und ein eigenes bildet, um es dem Großen gleichzutun. Um dies wahrlich zu erkennen ist es von großer Notwendigkeit, die Abstände in jeder Schönheit zu verstehen. Denn siehe, in allen Dinge findet sich Schönheit, in Abständen, die größer und weiter werden, je weiter sie vom Mittelpunkt entfernt sind. Dies zeigt, daß die Schönheit im Punkt, der nicht erreichbar ist, am größten ist, dort ist sie unbegreiflich und ewig, so daß kein Sterblicher es zu verstehen vermag.


Über den Moment

Joryn: Du erscheinst mir traurig, was brdrückt deine Seele, Echem?

Echem: Nun, ich saß und dachte vor mich hin, als ich begriff, daß ich die Ewigkeit nie sehen oder auch nur erahnen kann, denn ich bin sterblich und weit von der Ewigkeit entfernt.

Joryn: Nichts hast du begriffen! Nichts hast du gedacht! Einer Täuschung bist du anheim gefallen, die die meisten Sterblichen zu verwirren vermag.

Echem: Wie aber erhalte ich einfacher Mensch dann einen Blick auf die Ewigkeit?

Joryn: Ständig und doch nie.

Echem: Ich verstehen nicht. Erkläre dich ein wenig mehr.

Joryn: Du stehest ständig in der Ewigkeit, du blickest auf sie, wenn du vor oder zurück schaust, dort siehtst du all ihre Werke und Erscheinungen. Aber sie selbst berührest du im Augenblick. Dort bist du eines mit ihr.

Echem: Warum aber fühle ich sie nicht?

Joryn: Der Augenblick ist unendlich kurz, so kurz, daß er nicht vorhanden ist. Blickest du auf ihn, so blickest du zurück oder vor auf einen zukünftigen. Nie aber auf den jetzigen. Dort nämlich ist die Ewigkeit, die Nähe zum Inneren, die so groß ist, daß du sie nicht begreifen, ja nicht einmal recht fühlen kannst.

Echem: Dies bedeutet, daß ein jeder Sterbliche ständig in der Ewigkeit ist? Auf eine oder eine andere Art?

Joryn: In der Tat, hast du denn geglaubt, es gäbe etwas, daß nicht in der Ewigkeit ist? Doch wirst du dies stets nur glauben und vielleicht erahnen können.